Foto: Projektteam v.l.n.r. Enikö Schradi und Eva Wunderer, Foto: Mourad Gerlach, Hochschule Landshut
Zum Einstieg: Was ist ein Trialog? Ein Trialog ist ein gleichberechtigter Austausch zwischen Personen, die von einer psychischen Erkrankung betroffen sind, deren Angehörigen und Fachkräften verschiedener Professionen des psychiatrischen Hilfesystems. Die Teilnehmenden eines Trialogs begegnen einander unabhängig von therapeutischer bzw. familiärer Abhängigkeit freiwillig und auf Augenhöhe. Trialog-Veranstaltungen sind Orte des Erfahrungs- und Wissensaustausches mit dem Ziel, die psychische Erkrankung und die Menschen, die damit konfrontiert sind, besser zu verstehen und zu unterstützen. Der Trialog entwickelte sich in Deutschland im Jahr 1989 aus trialogischen Psychoseseminaren. Trialoge sind in der Sozialpsychiatrie gut etabliert und bei Psychosen und der Borderline-Persönlichkeitsstörung nachweislich hilfreich für Betroffene, Angehörige und Fachkräfte; sie haben als Unterstützungsangebot teilweise bereits Eingang in die Leitlinienbehandlung gefunden. Die dazu vorliegenden Evaluationsergebnisse zeigen, dass das trialogische Vorgehen eine gute Möglichkeit für Betroffene, Angehörige und Fachkräfte bietet, subjektive Wahrnehmungen und Erfahrungen auszutauschen, gemeinsam zu reflektieren und durch die Erfahrungen eines:r Stellvertreter:in, also einer anderen Person in einer ähnlichen Lebenssituation, Handlungs- und Bewältigungsstrategien weiterzuentwickeln. Der Trialog kann somit einen wertvollen Beitrag dazu leisten, die Herausforderungen psychischer Probleme und deren Auswirkungen zu bewältigen.
Forschungsprojekt: TRES – Konzeptentwicklung und Evaluation des Trialogs bei Essstörungen
Zeitraum: 08/2022 – 09/2024 - über den Zeitraum hinaus arbeiten wir an einer größeren Publikation
Förderung: Institut Sozialer Wandel und Kohäsionsforschung (IKON), Hochschule Landshut
Mitwirkende an der Hochschule Landshut: Enikö Schradi M.A. Klinische Sozialarbeiterin (Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Promovendin) und Prof. Dr. Eva Wunderer (Projektleitung)
Im Promotionsverfahren sind beteiligt: Prof. Dr. Alexandra Retkowski und Prof. Dr. Stefanie Sauer, beide BTU Cottbus-Senftenberg und Prof. Dr. Eva Wunderer
Kooperationseinrichtungen:
Was ist der Hintergrund des Forschungsprojekts? Hintergrund: Die weite Verbreitung und schwerwiegenden, teilweise lebensbedrohlichen bio-psycho-sozialen Auswirkungen von Essstörungen erfordern ein multimodales, multiprofessionelles Vorgehen und weitere, innovative Behandlungskonzepte. Da Essstörungen die Betroffenen, aber auch Angehörige und professionelle Helfer:innen vor große Herausforderungen stellen, sich Betroffene wie Angehörige oft zu wenig gesehen und verstanden fühlen, alle drei Gruppen das Erleben von Hilflosigkeit und Frustration beschreiben, und Essstörungen gesellschaftlich oft stigmatisiert und bagatellisiert werden, liegt ein trialogisches Vorgehen auch in diesem Bereich nahe. Eine Vorstudie zum Trialog bei Essstörungen in Zusammenarbeit mit dem Bundesfachverband Essstörungen BFE e.V., offenbarte einen Bedarf und eine Bereitschaft zur Durchführung von Trialogen in der Essstörungshilfe.
Was ist das Ziel des Forschungsprojekts? Im Projekt „TRES – Trialog bei Essstörungen“ wird der Trialog neu im Bereich Essstörungen eingeführt und im Hinblick auf seine Chancen und Grenzen für betroffene Personen mit Essstörungserfahrungen aller Art, Angehörige und Fachkräfte aus der Perspektive der Trialog-Teilnehmenden und Einrichtungen bewertet. Es handelt sich um Forschung in der und für die Praxis. Das Feedback der Einrichtungen, Moderierenden und Trialog-Teilnehmenden fließt in die Weiterentwicklung des Trialogs bei Essstörungen ein. So kann das Forschungsvorhaben, bei entsprechend positiven Ergebnissen, dazu beitragen, den Trialog bei Essstörungen als weiteres Hilfeangebot sichtbar und nutzbar zu machen. Der Trialog bei Essstörungen ist gleichzeitig das Dissertationsthema von Enikö Schradi.
Wie wird das Forschungsvorhaben umgesetzt? Im ersten Schritt wurden ein Konzept als Handreichung für die Kooperationseinrichtungen erstellt und Einrichtungen und Moderierende geschult. Der Trialog bei Essstörungen war als Blockveranstaltung mit jeweils vier Gesprächsabenden und einer Dauer von zwei Stunden konzipiert und fand im zweiten Schritt von März bis Juni 2023 in den Kooperationseinrichtungen statt. Zwei Moderierende führten jeweils durch den Gesprächsabend. Im dritten Schritt wurden die Trialog-Veranstaltungen evaluiert . Alle Beteiligten wurden aktiv einbezogen, d.h. die Trialog-Teilnehmenden, die Moderierenden an den Gesprächsabenden und die Kooperationseinrichtungen, die den Trialog anbieten.
Die Evaluation des Trialogs bei Essstörungen gliederte sich in drei Erhebungsphasen, wobei ein Mixed-Methods-Design zum Einsatz kam. In der 1. Erhebungsphase fanden eine Paper-Pencil-Befragung der Trialog-Teilnehmenden und Moderierenden sowie eine Befragung der Kooperationseinrichtungen direkt im Anschluss an die Trialog-Gesprächsabende statt. Die 2. Erhebungsphase enthielt vertiefende Einzelinterviews mit Trialog-Teilnehmenden nach Ende der Trialog-Blockveranstaltung. Eine Follow-up-Befragung der Trialog-Teilnehmenden und Kooperationseinrichtungen nach ca. sechs Monaten bildeten die 3. Erhebungsphase. Das Material wird deskriptiv-statistisch und qualitativ-inhaltsanalytisch ausgewertet.
Vorträge und Publikationen:
Enikö Schradi ist in allen Fällen die Erstautorin
Forschungsprojekt (abgeschlossen): TRES – Trialog bei Essstörungen. Ein Überblick über Chancen, Anforderungen und bestehende Initiativen.
Zeitraum: 01/2021 – 07/2021
Förderung: Institut Sozialer Wandel und Kohäsionsforschung (IKON), Hochschule Landshut
Mitwirkende an der Hochschule Landshut: Enikö Schradi M.A. Klinische Sozialarbeiterin (Wissenschaftliche Projektmitarbeiterin) und Prof. Dr. Eva Wunderer (Projektleitung)
Kooperation: Bundesfachverband Essstörungen BFE e.V.
Was ist das Ziel des Forschungsprojekts und wie wird das Forschungsvorhaben umgesetzt? Um Chancen, Anforderungen und bestehende trialogische Initiativen im Essstörungsbereich in Deutschland zu ermitteln, führten wir eine umfangreiche Literatur- und Internetrecherche und eine E-Mail Befragung deutscher Facheinrichtungen für Essstörungen, die Mitglied des Bundesfachverband Essstörungen BFE e.V. sind, durch.
Was sind die Ergebnisse? Trialoge sind bei psychiatrischen Erkrankungen (Psychose, Borderline-Persönlichkeitsstörung) nachweislich hilfreich und können möglicherweise auch bei Behandlung der Essstörung unterstützen. Bislang sind Trialog im Essstörungsbereich nicht etabliert, es gibt kaum Initiativen – lediglich zwei Einrichtungen haben in der Vergangenheit Trialog-Veranstaltungen angeboten – und kein Konzept zur Umsetzung. Nahezu alle in der Erhebung befragten Einrichtungen äußern sich jedoch sehr positiv über den Einsatz eines Trialogs bei Essstörungen, rund drei Viertel (76%) können sich vorstellen ein solches Angebot selbst anzubieten, wenn ausreichend Ressourcen und ein Konzept zur Umsetzung des Trialogs bei Essstörungen zur Verfügung stehen. Somit offenbart sich insgesamt ein deutlicher Bedarf Trialoge bei Essstörungen zu konzipieren, initiieren, etablieren und evaluieren. Genau dies ist Zielsetzung der Fortsetzung des Projektes „TRES“ an der Hochschule Landshut.
Forschungsprojekt (abgeschlossen): Miteinander sprechen und voneinander lernen – Evaluation des Borderline-Trialogs in Landshut
Laufzeit: 09/2019 – 09/2020
Mitwirkende an der Hochschule Landshut: Enikö Schradi M.A. Klinische Sozialarbeiterin (im Rahmen der Masterarbeit; Prof. Dr. Eva Wunderer (Erstgutachterin) in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Lohner (Zweitgutachter)
Kooperation: Selbsthilfegruppe Borderline in Landshut, Borderline-Trialog in Landshut
Was sind der Hintergrund, das Ziel und das Forschungsdesign des Forschungsprojekts? Angelehnt an andere Trialoge in größeren Städten Deutschlands rief die Borderline Selbsthilfegruppe Landshut 2019 den Borderline-Trialog Landshut ins Leben. Die Hochschule Landshut unterstützte die Umsetzung, Enikö Schradi evaluierte die Durchführung und half damit eine Forschungslücke zu schließen, da nur wenige Studien zu trialogischen Verfahren existieren. In einem Mixed-Methods-Design fand unmittelbar nach dem Trialog eine Fragebogenerhebung (n=113) und eine Follow-up-Untersuchung mit einem qualitativen Design nach vier Monaten statt (n=14). Befragt wurden betroffene Menschen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung, Angehörige und Fachkräfte verschiedener Professionen, die den Borderline-Trialog-Landshut besucht hatten sowie die Moderator:innen des Trialogs.
Was sind die Ergebnisse? Das Ergebnis der Evaluation zeigt, dass der Borderline-Trialog-Landshut gut angenommen und ein trialogischer Austausch auf Augenhöhe von den Teilnehmenden als hilfreich empfunden wird, um das Wissen und die Sichtweise auf die Borderline-Persönlichkeitsstörung zu erweitern. Das Verständnis für die unterschiedlichen Perspektiven von Betroffenen, Angehörigen und Fachkräften verbessert sich. Der Erfahrungs- und Wissensaustausch wirkt sich bei den Teilnehmenden positiv auf den Umgang mit der Borderline-Persönlichkeitsstörung aus und setzt einen Lernprozess auf allen Seiten in Gang. Der Borderline-Trialog-Landshut fand mittlerweile sieben Mal in Landshut statt (Stand Herbst 2022), zunächst in Präsenz, während der Pandemie online und zuletzt in hybrider Form.
Publikationen und Vorträge:
Preise (für die Masterarbeit von Enikö Schradi)